Interview mit den Vorsitzenden der Untouchables

Die Redaktion von untouchables.com hat ein Interview mit J. Uwe Diedam (1. Vorsitzender) und Martin Nixdorf (2. Vorsitzender) geführt.

Redaktion: Uwe, die Untouchables werden am 01.08. diesen Jahres 22 Jahre alt. Wie seht ihr die Entwicklung des Vereins rückblickend?

Uwe: Die Vereinsentwicklung der letzten 22 Jahre muss man sicherlich aus verschiedenen Blickrichtungen betrachten und ich weiss nicht, ob wir als Gründungsmitglieder und amtierender Vorstand hier den nötigen Abstand für eine neutrale Betrachtungsweise haben.
Es gab in den Jahren so viele und unterschiedliche Entwicklungen, dass es mir schwer fällt ein Fazit zu ziehen. Statistisch gesehen sind wir aktuell der erfolgreichste Baseballverein Deutschlands, aber das bezieht sich nur auf unser Bundesligateam. Also hat dies wenig Bedeutung, wenn man als Verein 12 Teams in den Ligabetrieb schickt.

Klar ist, dass der Verein Rahmenbedingungen geschaffen hat, aus denen relevante gesellschaftliche Faktoren erwachsen sind. Das ist mehr als die Vereinsgründer zu hoffen gewagt haben und es ist mehr, als wenn man eben nichts gemacht hätte.

Redaktion: Der Verein hat eine erfolgreiche Zeit hinter sich. Etliche Ligameisterschaften, Deutsche Meisterschaften in den verschiedenen Altersklassen, Europapokalteilnahmen, in der Kombination Ahorn-Ballpark und Ahorn-Sportpark eine in Deutschland einmalige Infrastruktur. Ist es da noch einfach neue Ziele für die Entwicklung des Vereins zu finden und zu formulieren?

Martin: Wir sind noch ein gutes Stück davon entfernt als vollwertiger Partner zum Beispiel der obersten amerikanischen Baseballliga, der MLB, angesehen zu werden. Es geht ja immer noch so weit, dass MLB in unserem Terrain frei wildert und Lehrstunden verabreicht, damit wir uns weiterentwickeln.
Wir haben eine gute Basis gelegt, aber jeder Fortschritt auf diesem Level ist harte Arbeit. Auf dem Weg nach oben gibt es ausreichend Platz für Zwischenziele.


Uwe:
Hinzu kommt, dass sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen stetig verändern. Daraus erwachsen für den Verein vielfältige Aufgaben, die auch das bisher Erreichte auf die Dauer sichern müssen. Bei den Zielsetzungen kann es also nicht immer nur um die sportlichen Erfolge gehen. Es geht auch um das gesamte Vereinsleben und seine Infrasturktur. Hier gibt es noch viele Ziele, die zu definieren sind.


Redaktion:
Die Institution Ahron Sportpark ist für den Sport in Paderborn und OWL nicht mehr wegzudenken. Mit seiner Infrastruktur und seinen Mitarbeitern kann man ihn schon als Sportkompetenzzentrum bezeichnen. Wie wichtig ist die Zusammenarbeit für die Untouchables?

Uwe:
Wir fühlen uns dem Ahorn-Sportpark angehörig und somit auch Teil dieser grossartigen und einmaligen Einrichtung. Es herrscht auf ganz vielen Ebenen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, die enorm wichtig für uns ist. Aber auch darüber hinaus besitzt der Ahorn-Sportpark in der deutschen Baseballszene einen sehr guten Ruf. Für Veranstaltungen wie z.B. die DBV Academy ist die Anlage mit ihren Sport- und Tagungsmöglichkeiten perfekt. Insofern ist der Ahorn-Sportpark neben unserem Ballpark die wichtigste infrastrukturelle Säule des Vereins.

Martin: Grundsätzlich können wir uns glücklich schätzen, dass wir die Angebote, aber auch die kooperativen Strukturen zwischen den Nutzervereinen, die ausdrücklich vom Ahorn Sportpark gefordert und gefördert werden, so intensiv nutzen können. Für uns ist die Möglichkeit ganzjährig adäquat zu trainieren zu können darüber hinaus enorm wichtig. Es ist aber auch ein Geben und ein Nehmen. Wir wollen jedenfalls durch Erfolge zurückzahlen.

Redaktion: Ihr seid berufstätig, habt Familien. Woher nehmt ihr die Motivation, euch in eurer Freizeit immer wieder für den Verein aufzuopfern?

Martin: Es aufopfern zu nennen ist übertrieben, aber irgendjemand muss ja am Ball bleiben. Das Spiel ist es einfach wert.

Uwe:
Sicherlich, aufopfern ist unpassend, aber wir geben schon eine Menge. Denn diese Sportart braucht zur Weiterentwicklung immer noch eine grosse Portion Pioniergeist. Das macht Spass sich hier einzubringen und nachhaltig etwas zu bewegen.


Redaktion:
Gab es in 22 Jahren Untouchables Momente, in denen ihr euch gefragt habt, wozu das Ganze? Wieso soviel Zeit und Kraft opfern? Und wenn ja, was hat euch dazu bewegt, euer persönliches Engagement weiter zu betreiben?

Martin: Ich kann für mich sagen, dass ich nach den ersten Meisterschaften und der Verwirklichung unserer Vision 2000 schon sehr ins Zweifeln geriet und kaum noch Sinn in meinem Tun entdecken konnte. Aber ein Winterspaziergang mit Vorstand und Martin Helmig brachte mich wieder auf Kurs. Die Untouchables heute, die DBA und die Westfalenbande sind danach entstanden.

Uwe:
Natürlich gab es und wird es auch in Zukunft Momente geben, wo man sich derartige Fragen stellt. Kritisch ist bei mir immer Januar/Februar, wenn die redaktionelle Arbeit des Yearbooks und die Saisonvorbereitung anfängt. Wenn in dieser arbeitsreichen Phase auch noch Sponsoren absagen, dann muss ich schon mal in den verschneiten Ballpark fahren. Das motiviert mich ebenso, wie das Gespräch mit meinen Vorstandskollegen.


Redaktion:
Zur aktuellen Saison: die 1. Mannschaft hat sich bereits für die Play Offs qualifiziert und steht rechnerisch nur noch ein Spiel davon entfernt, erneut die Nordmeisterschaft zu erreichen. Wie weit kann es in dieser Saison in den Play Offs gehen? Ist die 7. Deutsche Meisterschaft für die U’s möglich?

Martin: In der aktuellen Form ist alles möglich, die Antwort muss aber die Mannschaft geben.

Uwe:
In der Tat, die aktuelle Form ist beeindruckend. Allerdings sind in den Play Offs auch immer Überraschungen möglich. Das haben wir leidlich im letzten Jahr erfahren. Eine Prognose verkneife ich mir deshalb.


Redaktion:
In der 2. Bundesliga werden dieses Jahr viele Nachwuchsspieler eingesetzt, die dort reichlich Erfahrung und Spielpraxis sammeln können. Im Nachwuchsbereich haben die Junioren, die Jugend und die Schüler noch alle Chancen, sich für die Deutschen Meisterschaften zu qualifizieren. Wie realisitisch schätzt ihr die Qualifikation aller drei Mannschaften ein und wie gut stehen die Chancen zum Titelgewinn dieser Teams?

Uwe: Das alle drei Mannschaften den NRW-Titel holen, wäre schon aussergewöhnlich aber möglich. Für die Junioren und Schüler scheint es realistisch. NRW gehört seit Jahren auf Länderebene zu den Favoriten um die Deutsche Meisterschaft. Wer also NRW-Meister wird, hat auch immer gute Chancen, Deutscher Meister zu werden.

Martin: Es ist schön zu sehen, dass wir in allen Altersklassen wieder zu den Mitbewerben in NRW zählen. Da haben wir aufgeholt. Leider fehlt einem der Überblick, wie sich die Nachwuchsarbeit in anderen Bundesländern entwickelt. Auch sind bei jungen Spielern enorme Leistungssprünge möglich, sodass so ein DM Turnier für allerlei Überraschungen gut sein kann. Wie eben schon einmal gesagt, wir sind erfolgs- und natürlich leistungsorientiert.

Redaktion: In den 1990er Jahren haben die Mainz Athletics in einer Saison alle Titel im Nachwuchsbereich gewonnen. Ein Traum oder sogar ein Ziel der Untouchables?

Martin: Auch hier gilt, nur die Mannschaften können die Antwort geben. Wir schaffen nur die Rahmenbedingungen.

Uwe:
Als Ziel würde ich es nicht definieren. Dennoch wäre es natürlich äusserst erfreulich, wenn wir in diesem Jahr unsere Anstrengungen in der Nachwuchsarbeit mit dem ein oder anderen Meistertitel krönen könnten.


Redaktion:
Mit dem All Star Game 2012 am 8. Juli in Paderborn steht ein nationales Baseballevent vor der Tür, Nationalmannschaften standen schon auf dem Platz der U’s. Dürfen eure Fans in der Zukunft auf die Ausrichtung eines internationalen Events hoffen, wie z.B. den Europapokal?

Martin: Jetzt durften wir nach 6 Jahren endlich mal wieder am Europapokal teilnehmen, das ist schön. Weitere Planungen gibt es dazu bisher nicht, da wir noch nicht einmal Zeit hatten, die Teilnahme im Detail zu analysieren.

Uwe:
Die in diesem Jahr in San Marino vorgefundenen Rahmenbedingungen lassen mich keine Sekunde daran zweifeln, dass wir einen derartigen Event auch in Paderborn durchführen könnten. Letztlich muss man sich allerdings vor Augen führen, dass wir um die 70 Veranstaltungen auf unserem Platz in der Saison durchführen. Hinzu kommt noch eine ähnliche Zahl an Auswärtsterminen. Da stossen wir mit unserer ehrenamtlichen Arbeit an Grenzen.

Redaktion: Paderborn hat sich zu einem der nationalen Baseballstandorte entwickelt. Ihr seid Landesleistungsstützpunkt Baseball in NRW, die deutschen Nationalmannschaften trainieren u.a. in Paderborn. Anfang bis Mitte der 1990er Jahre gab es ca. 30 Baseballvereine in OWL, von denen nur noch sieben aktiv sind. Wie problematisch seht ihr diese Entwicklung, gerade auch in Bezug auf den Spielbetrieb für euren Nachwuchs?

Martin: Ausser uns gibt es gerade einmal 1 Teeballteam und 2 Jugendmannschaften in OWL. Zum Glück tut sich etwas im Dortmunder Raum, sonst müssten wir für Spiele immer ins Rheinland fahren – und die zu uns.
Die Gründungseuphorie im Baseballsport ist verflogen und kaum jemand ist bereit in die Kinder zu investieren. Hinzu kommen die sinkenden Kinderzahlen, auch in Paderborn, und die grössere sportliche Konkurrenz anderer Sportarten, besonders in der Sportstadt Paderborn.
Diese Rahmenbedingugen machen es uns nicht leichter, aber wir werden Lösungen finden, die uns weiterbringen werden.


Uwe:
Für unseren Nachwuchsspielbetrieb bedeutet diese Entwicklung in erster Linie einen erhöhten Zeit- und Kostenaufwand. Gerade für die engagierten Eltern unserer Nachwuchsspieler ist dies eine enorme Belastung. Dadurch kann dann schon der ein oder andere zum Fussball wechseln.
Auch die schon erwähnte demografische Entwicklung im Jugendbereich ist eine riesige Herausforderung für uns als Verein. Schon jetzte herrscht in den Kindergärten und Schulen eine Sportartenschlacht um die besten Talente.

Hinzu kommt noch die Etablierung der Ganztagsschulen, die kaum Raum für ein Vereinstraining am Nachmittag geben. In dieser Beziehung stehen wir als Baseballverein vor gewaltigen Herausforderungen.


Redaktion:
Was könnt ihr als  Verein dagegen unternehmen?

Martin: Bisher ist es uns ganz gut gelungen, das Spielniveau zu verbessern. Wir haben die beste Trainerstruktur seit Gründung unseres Vereins. Wir werden nur wenige der Probleme in unserem weiteren Umfeld lösen können.
Daher müssen wir uns intern weiter verbessern. Das wird die Leistungsunterschiede zwischen den Vereinen noch weiter vergrössern. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns auf Lösungen konzentrieren, die für unseren Verein den grössten Fortschritt bedeuten. Es kann gut sein, dass in einigen Jahren ganz andere Strukturen vorhanden sein werden.

Uwe:
Es ist schon eine sehr vielfältige Aufgabe und hier den Lösungsansatz zu beschreiben, würde wohl den Rahmen sprengen. Sicher ist, dass sich in unserem ländlich geprägten Umfeld, nachhaltig nur wenige Potentiale erschliessen lassen.
Wie von Martin schon angedeutet, sind wir daher intern gefordert. Was spricht dagegen, wenn wir zukünfitg vielleicht mehrere Teams in eine Liga schicken?


Redaktion:
Es gibt also immer viel zu tun, als Verantwortliche eines Sportvereines könnt ihr aber nicht nur eure eigenen Interessen und die des Vereines verfolgen, sondern müsst auch sicherlich das ein oder andere Mal aus sportpolitischen Gründen und der Entwicklung des gesamten Baseballsports in Deutschland Kompromisse eingehen. Fällt das schwer, oder könnt ihr dann die ‚Vereinskappe‘ absetzen?

Martin: Wir haben vor Jahren bereits gezeigt, dass wir nicht nur auf uns selber schauen. Damals haben wir die Strukturen unseres Jugendbereiches weitestgehend abgegeben, um die Deutsche Baseball Akademie von Beginn top zu besetzen.
Es hat lange gedauert, bis wir diesen Verlust ausgleichen konnten. Solange es der Entwicklung des Baseballsports gut tut, sind wir für Kompromisse immer offen.


Uwe:
Unbedingt und das nicht nur aus Vereins- und Baseballersicht. Wir sind ja auch einer von 8 Vereinen des Forums Paderborner Spitzensport gGmbH, dessen ehrenamtlicher Geschäftsführer ich bin. Hier geht es um die Weiterentwicklung von Rahmenbedingungen im Spitzensport.
Das Sportinternat ist eine von vielen Initiativen des Forums. Hier denken wir ganzheitlich für den Spitzensport und nehmen Rücksicht auf Vereine, die in der ein oder anderen Entwicklung noch hinterher sind.

Redaktion: Seit 22 Jahren verfolgt ihr nun Baseball in Deutschland. In der Zeit kamen und gingen viele Vereine. Die Zahl der Aktiven hatte in den 1990er Jahren scheinbar nicht endende Zuwachszahlen. Dann kam der grosse Schnitt, die Zahlen sanken und viele unkten schon über das Ende des Baseballsports in Deutschland. Wie seht ihr die Entwicklung in Deutschland?

Uwe: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, das der Baseballsport mit seiner aufwendigen Infrastruktur und seinem komplexen Regelwerk nicht in jedem deutschen Dorf betrieben werden kann. Unsere Nation ist dazu zu einseitig auf Fussball ausgerichtet.
Dennoch zeigt die Entwicklung, dass sich nicht nur das Spielniveau erhablich gesteigert hat, sondern auch reichlich Investitionen in die Plätze und Anlagen geflossen sind. Das halte ich für äusserst positiv und nachhaltig.
Von einem Ende des Baseballsports in Deutschland kann also keine Rede sein. Es etabliert sich mehr Qualität als Quantität und damit können wir sicherlich gut leben.

Martin: Wir haben in der Spitze das höchste Leistungsniveau erreicht, das je in Deutschland existierte. Das allgemeine Interesse ist weiterhin stark limitiert, quasi nicht existent.
Der Verlust des Olympiastatuses tut weh. MLB sieht Deutschland hauptsächlich noch immer als Absatzmarkt für Merchandaisingprodukte, aber es werden auch mehr und mehr junge Spieler von denen ins Visier genommen. Sich in diesem Spannungsfeld weiterzuentwicklen, wird nicht leicht, aber immerhin eine tolle Herausforderung.

Uwe und Martin, vielen Dank für dieses umfassende Interview. Es gibt ein wenig Einblick in die Aufgaben, die ihr im Vorstand in alle Richtungen zu erledigen habt, ohne immer das Wohl des Vereines aus den Augen zu verlieren.
Weiterhin gutes Gelingen für diese Aufgaben und natürlich noch viel Glück und Erfolg in der laufenden Saison für alle eure Mannschaften.